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05.03.2014 18:39

Die Finanzmärkte brachen nach dem Gegenschlag der USA nicht sofort ein. Doch die Welt ist verunsichert, und die Wirtschaft schlittert in eine Rezession.

Bomben über der afghanischen Hauptstadt Kabul. Diese Nacht wird noch lange in Erinnerung bleiben. Der Tag darauf auch. Die ganze Welt starrte auf die internationalen Börsenplätze. Doch es hätte schlimmer kommen können, die Finanzmärkte brachen nicht schlagartig ein. Die Ausschläge an den internationalen Börsen bewegten sich bei geringen Umsätzen im Null-Prozent-Bereich.
Business as usual in einer Welt, in der derzeit vieles auf der Kippe steht. Die Weltwirtschaft ist in der Rezession. Der Konflikt im Mittleren Osten hat erst richtig begonnen, und die Konsumenten haben sich quer über den Globus zu einem rigorosen Sparprogramm entschlossen. Es wird nicht mehr gereist, es wird nicht mehr gekauft oder mit Aktien spekuliert, die Leute bleiben zu Hause, schauen den US-Sender CNN und harren der Dinge, die da kommen werden.

Deshalb täuscht die Gelassenheit an den Börsen. Der englisch-amerikanische Schlag gegen das Taliban-Regime und den Terrorismus bringt die Weltwirtschaft gewiss nicht auf Trab. «Die Unsicherheit wird anhalten», sagt UBS-Warburg-Ökonom Philipp Paulus, «und damit dürfte eine globale Konjunkturerholung erst 2002 erfolgen.»

Dabei hatte es vor der verheerenden Attacke vom 11. September für die US-Wirtschaft relativ gut ausgesehen. «Wir sahen erste Anzeichen eines konjunkturellen Umschwungs», sagt Paulus. Verschiedene Indikatoren, darunter der Leading Indicator des Conference Board, zeigten mehrere Male hintereinander einen Anstieg an.
Der Zusammenbruch der Twin Towers in New York hat die Welt verändert. Di-verse Branchen stürzten von einem Tag auf den anderen in die Krise. Airlines vor dem Bankrott mussten den Staat um Finanzhilfe bitten, der Tourismus ist mit Milliardenverlusten konfrontiert, die Luxusgüterindustrie darbt, Versicherungen müssen ihre Gewinnprognosen um Milliarden zurücknehmen, und international tätige Banken sehen sich mit einer beispiellosen Gewinn-Erosion konfrontiert.
Wie die Credit Suisse Group. Sie glänzte früher mit Gewinnen in Milliardenhöhe und ebensolchen Bonuszahlungen an die Investmentbanker. Jetzt beträgt der Verlust im dritten Quartal 300 Millionen Franken, und 2000 Banker müssen sich einen neuen Job suchen.

Quer über den Globus beginnt sich eine verhängnisvolle Spirale zu drehen. Die Verunsicherung durch die Attentate in New York und deren bislang unabsehbare Folgen haben gemäss Karl Weber, Chefökonom der Bank Vontobel, «das Konsumentenvertrauen weltweit einbrechen lassen». In der Schweiz wird das Wachstum des privaten Konsums gemäss UBS-Prognosen binnen Jahresfrist von knapp drei auf ein Prozent abstürzen. In den USA ist die Sparquote, ein fein reagierender Konjunkturindex, vom historischen Tief von 0,4 Prozent im September 2000 auf bereits 4,1 Prozent im vergangenen August gestiegen. «Verschiedene negative Trends», sagt Vontobel-Ökonom Weber, «überlagern sich derzeit.» Sie führen zu Rezession und Stagnation:
Weltweit vervielfachen sich die Massenentlassungen. In den USA haben die Erstanträge auf Arbeitslosengeld das höchste Niveau seit 1992 erreicht. In der Schweiz rechnen Prognostiker mit einer Arbeitslosenrate von 2,5 Prozent.

- Die Unternehmen schrauben ihre Investitionen markant zurück. Denn die Konsumenten streiken.
- Die anhaltende Verunsicherung über den Ausgang des Kampfs gegen den Terrorismus ist Gift für die Weltkonjunktur.
In Japan, sagen renommierte Ökonomen wie Paul Krugman, herrscht derzeit eine Depression wie in den Dreissigerjahren.

Ausgerechnet die neoliberale Administration Bush macht nun vor, wie der Staat der Wirtschaft in Notzeiten unter die Arme greifen kann. US-Notenbankchef Alan Greenspan hat den Takt vorgegeben. In neun Schritten senkte er zwecks Ankurbelung der Investitionen die Leitzinsen von 6,5 auf 2,5 Prozent. Und jetzt schnürt die Regierung Bush ein Konjunkturpaket von 115 Milliarden Dollar zur Stützung der kränkelnden US-Wirtschaft. Kein Wunder, sind die Propheten des Neoliberalismus ziemlich stumm geworden. Ob Bushs «deficit spending» Erfolg beschieden sein wird, steht in den Sternen. Der Krieg gegen den Terrorismus könnte zu einem scharfen Anstieg des Ölpreises führen, wenn die angloamerikanische Koalition die Kampfhandlungen auf Länder wie Irak, Iran oder den Sudan ausdehnt und in der Folge die Ölpipelines verstopfen. Lange Rezessionsjahre wären nicht auszuschliessen.
 

17.02.2014 19:20

Grossoffensive im Cyberspace: Online-Detailhändler Le-Shop geht ins Ausland, die Migros expandiert im Inland.

Letztes Jahr machten die Schweizer Lebensmittel-Anbieter im Internet gerade mal zehn Millionen Franken Umsatz. Bei einem Detailhandels-Volumen von 36,5 Milliarden eine verschwindend kleine Grösse. Noch. Halten die Wachstumsraten an, wird der Online-Detailhandel schon übernächstes Jahr die 100-Millionen-Grenze durchbrechen, weitere zwei Jahre später die Milliarden-Schwelle.

Um für das Big Business gerüstet zu sein, hat sich der Internet-Detailhändler Le-Shop diese Woche die Londoner Investment-Bank Morgan Grenfell an Bord geholt. Sie beteiligt sich mit 12,5 Millionen Franken am Internet-Händler. Bereits seit letztem August hält die Bon-Appétit-Gruppe ein 39-Prozent-Paket an Le-Shop.

Mit dem Kapital von Morgan Grenfell expandiert Le-Shop ins Ausland. Noch dieses Jahr werden in Deutschland und Argentinien die ersten Online-Läden eröffnet. In Spanien (www.alcampo.es) hat die französische Detailhandels-Gruppe Auchan von Le-Shop die Technologie in Lizenz erworben. «Diese Kooperation», sagt Le-Shop-Gründer Alain Nicod, «wollen wir auf Frankreich, Italien und Portugal ausweiten.»

Auch die Migros baut ihre Online-Präsenz aus. Anfang nächsten Jahres soll eine Ausdehnung der Aktivitäten «auf die Mittelland-Banane Genf bis Sankt Gallen erfolgen», wie Projektleiter Matthias Keller von der Migros Aare bestätigt.

Bisher konnten nur Kunden in einem beschränkten Gebiet in der Deutschschweiz bei Migros online einkaufen.

Knackpunkt ist die Logistik. Zwischen Bestellungseingang und Auslieferung der Lebensmittel verstreicht heute viel Zeit. Nur Spar liefert garantiert zwei Stunden nach der Internet-Order aus. Bei der Migros dauerts mindestens sechs Stunden, Le-Shop benötigt normalerweise einen Arbeitstag. «Die Geschwindigkeit ist ein klarer Wettbewerbsvorteil für uns», weiss Marc Schäfer, Online-Verantwortlicher bei Spar.
An der Logistik-Frage tüftelt derzeit auch die Coop-Gruppe. Vorerst begnügt sich die Nummer zwei im Detailhandel mit einem schweizweiten Weinangebot im Internet. Bis für Online-Bestellungen nicht eine «optimale Auslieferungslösung» gefunden werde, warte man mit neuen
Ideen zu. «Im Lebensmittelbereich», schätzt Coop-Sprecher Karl Weisskopf, «wirds dieses Jahr noch kein Angebot von uns geben.»
 

17.02.2014 19:15

Die Eröffnung der ersten europäischen Internet-Apotheke ruft Anhänger und Gegner auf den Plan.

Diese Woche solls losgehen: Die erste Internet-Apotheke Europas öffnet ihre virtuellen Tore. Unter der Adresse www.docmorris.com werden die 350 meist verkauften Medikamente zu einem europaweit einheitlichen Tarif angeboten.

«Wir liegen mit unseren Angeboten deutlich unter dem Preisniveau der Schweiz», erklärt Ralf Daeinghaos, Geschäftsführer von DocMorris.com. Noch seien die Preise nicht definitv fixiert, «aber wir dürften bis zu 50 Prozent billiger sein».

Entsprechend gross sind die Erwartungen. Bis Ende Jahr peilt DocMorris.com 50 000 Kunden an. Sitz des Unternehmens ist in den Niederlanden, weils dort im Gegensatz zu den meisten europäischen Staaten für Arzneimittel keine Preisbindung gibt. Die tiefen Verkaufspreise kurbeln die Nachfrage an. So schätzt die deutsche Apotheker-Vereinigung, dass bereits die Hälfte aller Potenzmittel und ein Grossteil der Lifestyle-Medikamente online bestellt werden. Auch Antibabypillen und Grippemittel, die Konsumenten selbst bezahlen müssen, werden häufig nachgefragt.

Vertreter der Schweizer Gesundheitsbehörden haben an dieser Entwicklung keine Freude. Regina Steffen vom Apotheker-Verein warnt: «Angesichts der Gefahren, die bei einer Bestellung im Internet für Laien ausgehen können, ist das grundsätzliche Medikamentenverbot des Versandhandels im neuen Heilmittelgesetz gerechtfertigt.» Ähnlich sieht es Jean-Christophe Méroz, Jurist bei der Interkantonalen Kontrollstelle für Heilmittel (IKS): «Bei Internet-Bestellungen sind die Informationen zum Medikament meistens ungenügend. Zudem treten oft unerwünschte Nebenwirkungen auf.»

Komme es zu einem Notfall, sei es schwierig, die Zusammensetzungen der eingenommenen Produkte ausfindig zu machen, argumentiert der IKS-Jurist. Um solche Fälle zu vermeiden, dürften in der Schweiz nur bei der IKS registrierte Produkte in den Verkauf gelangen. «Wer Medikamente in die Schweiz liefert, die nicht registriert sind, handelt illegal», so Méroz.

Theoretisch zumindest.

Praktisch kann niemand verhindern, dass sich Schweizer Konsumenten im Internet mit günstigeren Heilmitteln aus dem Ausland eindecken. Viele Internet-Apotheken liefern ihre Ware in die Schweiz aus, obwohl es auf ihrer Website aus rechtlichen Gründen heisst, dass sie es nicht tun.

Auch die DocMorris-Betreiber erklären, «nicht in die Schweiz zu liefern». Das könne sich aber bald ändern, «der Schweizer Markt ist sehr interessant für uns».

Noch kann sich die Schweiz als Nicht-EU-Mitglied gegenüber Europa abschotten. Die IKS prüft alle Präparate noch einmal - auch solche, die die zentrale europäische Kontrollstelle für gut befunden hat. Das sei üblich, erklärt Méroz. «Trotz europäischer Kontrollstelle gibt es in den EU-Ländern nationale Gremien. Die Schweiz macht da keine Ausnahme.» Es sei aber klar, dass unser Land künftig noch enger mit den europäischen Stellen zusammenarbeiten werde.

Damit liessen sich Kosten senken. Eine dringend notwendige Massnahme, steigen die Krankenkassen-Prämien doch auch dieses Jahr weiter an.

Schuld daran seien jedoch nicht die Apotheker, betont deren Vertreterin: «Wir leisten schon heute substanzielle Beiträge zur Stabilisierung der Kosten im Gesundheitswesen.» Rund 170 Millionen Franken würden durch verschiedene Massnahmen ab 2001 jährlich eingespart. «Mehr», so Steffen, «liegt auf Kosten der Apotheker nicht drin.»
 

17.02.2014 18:58

Die Preise fürs mobile Telefonieren fallen weiter. Trotz der horrenden Summen für neue Mobilfunk-Lizenzen profitieren die Kunden.

Sunrise-Chef Urs Fischer kann diese Woche endlich präsentieren, was ihm lange verwehrt blieb: Ein Angebot in der Mobiltelefonie. Ab 1. Juni bietet Sunrise in Zusammenarbeit mit Orange ein Prepaid-Produkt im Handy-Markt an. Mit Sunrise Mobile können Kunden ohne Abonnementsgebühr für einen bestimmten Betrag pro Monat mobiltelefonieren. Sunrise reagiert damit auf ein Angebot der Konkurrentin Tele2, die seit einem Monat mit Tele2 Mobile - zusammen mit Swisscom - ihren Kunden ein ganz ähnliches Produkt verkauft.

Jeder will im boomenden Mobilfunk dabei sein. Um jeden Preis. «Es ist natürlich kein riesiges Geschäft für uns», kommentiert Sunrise-Chef Urs Fischer das Prepaid-Angebot. «Aber es findet auch keine Quersubventionierung statt», versichert er.

Geld verdienen nur die wenigsten Telefongesellschaften im Mobilfunk. Denn trotz Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur sinken die Preise.

Jetzt gehts in die nächste Runde: Noch in diesem Sommer werden die Minutenpreise wohl weiter purzeln. In der Branche spricht man von einem Preisnachlass von rund 20 Prozent. Diax, so wird vermutet, übernehme die Vorreiterrolle. Das Unternehmen gibt sich allerdings noch bedeckt. «Eine Preisrunde ist möglich», sagt Monika Walser, Mediensprecherin von Diax. «Das entscheiden wir kurzfristig.» Und Swisscom-Sprecher Sepp Huber erklärt nur: «Entscheide sind noch nicht gefallen. Wir werden das erst kurz vor der Einführung kommunizieren.»

Die Preissenkungen sind diesmal politisch brisant. Vor einer Woche hat die Wettbewerbs-Kommission (Weko) eine Untersuchung wegen möglicher Preisabsprachen unter den drei Mobilfunkanbietern eingeleitet. Bis Ende Juni haben die Mobiltelefonie-Anbieter Swisscom, Orange und Diax Zeit, der Weko die geforderten Unterlagen zu retournieren.

Die Untersuchung der Weko könnte zum Schluss kommen, dass die drei Unternehmen kollektiv marktbeherrschend seien. Ist das der Fall, müssen sie gemäss dem Fernmeldegesetz ihre Infrastruktur gegen eine Gebühr auch Dritten zur Verfügung stellen. Alle Telefongesellschaften könnten ihren Kunden dann Mobilminuten weiterverkaufen - und die Preise sänken weiter. Mehr>> Albatros-navigation.ch

Ein Schritt, gegen den sich Swisscom wehrt: «Wir sind gegen eine Regulierung, weil wir gegen eine Änderung der Spielregeln während des Spiels sind», verteidigt sich Huber. Swisscom habe gezeigt, dass sie den Wettbewerb nicht behindere, etwa durch die teilweise Freigabe ihres Mobilfunk-Netzes für Konkurrentin Orange. Huber erwartet denn auch, «dass die Untersuchung der Wettbewerbs-Kommission eingestellt wird».

Da könnte sich Swisscom täuschen. Die Untersuchung über die Mobilfunk-Preise sind ein Prestigefall für die Weko, die um ihre Berechtigung kämpfen muss. Dass sie ihre Abklärungen ohne Ergebnis einstellt, kann sich die Behörde nicht leisten.

Die Mission der Kommission ist heikel: Zwar sind in der Schweiz die Minutenpreise in der Mobiltelefonie nicht so stark gesunken wie im Festnetz, dafür haben die Telefongesellschaften ihre Kunden mit Gratisangeboten geradezu überhäuft.

Alle drei Anbieter zahlen happige Provisionen an den Handel. Die Kosten für einen neuen Handy-Kunden haben sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht und liegen nach Schätzungen derzeit bei rund 250 bis 300 Franken. Swisscom-Sprecher Huber bestätigt: «Ein Neukunde kostet uns heute 280 Franken.» Orange verlangt von der Weko deshalb eine Gesamtbeurteilung der Situation. Die Provisionen sowie die milliardenhohen Investitionen in die Infrastruktur müssten berücksichtigt werden. «Die Kostenstruktur hat sich in den vergangenen Monaten substanziell zum Vorteil der Konsumenten verändert», sagt Orange-Sprecherin Therese Wenger.

Der Preisknatsch um die Tarife ist hausgemacht. Als das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) in der Schweiz Mitte 1998 nur drei Mobilfunk-Lizenzen für die GSM-Technologie verteilte, sagten kritische Stimmen die heutige Situation voraus. Erfahrungen in Deutschland zeigten zudem schon damals, dass ein Preiswettbewerb erst ab vier oder fünf Anbietern spielt.

Jetzt reagiert das Bakom. Durch die Abschaltung des alten Natel-C-Netzes wurden zusätzliche Funkfrequenzen frei. Im Oktober werden deshalb drei weitere GSM-Konzessionen versteigert, wie Andreas Sutter, Stabschef beim Bakom, bestätigt. Bald könnten also vier Telefongesellschaften im Mobilfunk mitmischen: Eine Konzession ist auf der Frequenz von 900 Megahertz zu haben, zwei Extended-GSM-Konzessionen arbeiten auf einer Frequenz unterhalb von 900 Megahertz. Für die Extended-Konzession gibts derzeit auf dem Markt noch keine Geräte, weshalb sie weniger attraktiv sind.

Erstaunlich: Auch für die 900-Megahertz-Lizenz hat sich bisher beim Bakom noch kein Interessent gemeldet. Die Frist läuft am 31. Mai ab. Findet sich kein Käufer, entscheidet die Kommunikation-Kommission (ComCom), ob die verfügbaren Frequenzen auf die bisherigen Konzessionsinhaber aufgeteilt werden oder ob eine weitere Auktion erfolgt.

Beim Bakom bleibt man dagegen optimistisch, dass sich bis am Mittwoch noch Käufer finden: «Wir gehen davon aus, dass wir die vierte GSM-Lizenz im Oktober noch für mehrere hundert Millionen Franken versteigern können», erklärt Sutter. Ein gutes Geschäft: Die drei anderen GSM-Konzessionen waren vor zweieinhalb Jahren in einem Schönheitswettbewerb noch «verschenkt» worden.

Richtig los gehts dann im November, wenn vier nationale Konzessionen für die dritte Mobilfunk-Generation mit dem Namen Umts versteigert werden. Die Kosten für eine solche Lizenz schätzt das Bakom auf 1,5 bis 2,5 Milliarden Franken.

Gut im Rennen liegt Ex-Monopolistin Swisscom. «Eine Swisscom ohne Umts-Lizenz in der Schweiz ist nicht vorstellbar», sagt Reto Portmann, Analyst bei der Bank Sarasin. Auch Swisscom-Sprecher Sepp Huber bestätigt, dass Umts für sein Unternehmen «sehr wichtig» ist. Um an die Milliarden zu kommen, prüft Swisscom den Börsengang ihrer Mobiltelefonie-Sparte.

Orange, Diax und Sunrise bieten im Milliarden-Poker ebenfalls mit. Über die Höhe ihre Gebote halten die drei derzeit allerdings noch Stillschweigen.

Anders Tele2-Chef Roman Schwarz. Eine eigene Umts-Lizenz ist für ihn keine Pflicht. «Jene Gesellschaften», begründet er, «die diese horrenden Summen aufbringen, sind gezwungen, alternative Vertriebskanäle zu öffnen.» Die Telefongesellschaften mit eigener Umts-Infrastruktur müssten nur schon aus wirtschaftlichen Gründen einen Teil ihrer Netz-Kapazitäten weiterverkaufen. Das will Schwarz nutzen.

Kostenbewusste Telefongesellschaften kalkulieren derzeit noch eine zweite Variante: Mit einem potenten Partner könnten sich viele die teuren Umts-Konzessionen doch noch leisten. Zwei Namen werden als mögliche Partner besonders häufig genannt: Orange und Sunrise, heisst es in der Branche, würden im Hinblick auf Umts noch näher zusammenrücken.

«Es ist kein Geheimnis, dass im Moment jeder mit jedem spricht. In Bezug auf Orange müssen wir jedoch abwarten, wie sich die Besitzverhältnisse entwickeln», erklärt Sunrise-Sprecher Stephan Howeg. Bei einem Verkauf der Muttergesellschaft Orange PLC an France Télécom hat der deutsche Telekom-Riese Viag ein Vorkaufsrecht auf die Schweizer Orange.

Trotz Umts wird das heutige GSM-Handy-Netz in zwei Jahren nicht einfach abgestellt. Wie früher Natel C und Natel D werden auch GSM und Umts jahrelang parallel auf dem Markt präsent sein. Privatkunden werden auch künftig auf dem GSM-Netz telefonieren, und nur jene, die wirklich auf grosse Netz-Kapazitäten angewiesen sind, wechseln auf das teure Umts. Handy-Hersteller haben aufs kommende Jahr bereits erste Dual-Mode-Geräte für die zwei Netze GSM/Umts angekündigt.

Noch vor einem Jahr schienen zwei Netze in der Schweiz eine unwahrscheinliche Variante zu sein. Jetzt zweifelt niemand mehr daran, dass das heutige GSM-Netz noch während Jahren weiter bestehen wird. Möglich wirds durch Power-Technologien wie HSCSD und GPRS. Sie teilen Daten in kleine Pakete auf und verschicken diese einzeln.

Das macht die Sache schnell. Mit GPRS übermittelt das Handy Daten in der gleichen Geschwindigkeit wie ein ISDN-Anschluss im Fixnetz. Und: Die Investitionen der Telefongesellschaften in die Technologie sind verhältnismässig tief.

In der Branche wird GPRS schon mal despektierlich «das Umts für arme Leute» genannt. Den Kunden kanns egal sein. Sie profitieren fürs gleiche Geld von mehr Leistung. Wie schon so oft.
 

22.01.2014 14:08

Diktator Sani Abacha schaffte über eine Milliarde Franken in die Schweiz. Zum Beispiel auf das Konto 638-931 -6 bei der Credit Suisse.

Die beiden Männer haben es sehr eilig und hetzen durchs Portal der Credit Suisse in Zürich. Nach ihrer Visite am Paradeplatz wollen sie gleich weiter nach Vaduz. So kommen sie bei Kundenberater B. sofort zur Sache. Sie stellen sich als Mohammed und Ibrahim Sani vor, Geschäftsleute aus Nigeria. Motiv ihres Besuchs: die Eröffnung eines Nummernkontos. Mohammed Sani weist sich mit einem Pass aus, Ibrahim hat seinen im Hotel vergessen. Zeit, ihn zu holen, hat er nicht; der Chauffeur für die Fahrt nach Liechtenstein wartet bereits.

Die beiden Nigerianer, die am 12. September 1995 bei der Credit Suisse vorsprechen, stellen lukrative Bankgeschäfte in Aussicht. Mohammed und Ibrahim sind zwar erst 26 und 28 Jahre alt. Und doch wollen sie bis zu 100 Millionen Dollar auf ihr neues Nummernkonto einzahlen: Profite aus Rohstoffgeschäften und Industriebeteiligungen. Jung und sehr reich - von solcher Klientel träumt jede Bank. Noch am gleichen Tag eröffnet die Credit Suisse für Mohammed Sani das Konto «Seuze» mit der Nummer 638-931-6. Das Konto «Kaisser» für Ibrahim, einigt man sich, muss warten, bis er eine Passkopie nachreicht. 

Was als lukrative Kundenbeziehung begann, entwickelt sich für die Credit Suisse zu einer peinlichen Affäre. Denn Mohammed Sani alias «Seuze» ist nicht irgendwer. Der Nigerianer ist der Sohn des berüchtigten Diktators Sani Abacha, der sein Land von 1993 bis zu seinem Tod 1998 «systematisch geplündert» hat. So steht es im nigerianischen Rechtshilfeersuchen vom 20. Dezember 1999 an die Schweiz, aus dem FACTS erstmals zitiert. Die neue, demokratisch gewählte Regierung Nigerias will das geraubte Geld zurück ins Land holen. Sie beschuldigt General Abacha, rund sieben Milliarden Franken mit Hilfe seiner Familie und mit Komplizen aus Staat und Wirtschaft in die eigenen Taschen abgezweigt zu haben. Laut ihrem Rechtshilfeersuchen schaffte der Abacha-Clan das illegale Fluchtgeld ins Ausland und wusch es über das internationale Bankensystem - «insbesondere das schweizerische». 

Die nigerianische Regierung ist offensichtlich gut dokumentiert: Auf Grund ihres 42-seitigen Ersuchens wurden rund 650 Millionen Dollar (1,1 Milliarden Franken) auf gut 150 Konten bei 17 Banken in der Schweiz vorsorglich blockiert. Und Mohammed Sani Abacha, der als «Schatzmeister» der Familie bezeichnet wird, ist letzte Woche vom Genfer Untersuchungsrichter Georges Zecchin wegen Geldwäscherei, Betrug, Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung sowie der Veruntreuung öffentlicher Gelder angeklagt worden. 

Peinlich für die Credit Suisse: Auf dem Konto «Seuze» von Mohammed Sani Abacha liegt der mit Abstand grösste Brocken der eingefrorenen Diktatorengelder, gut 232 Millionen Dollar (380 Millionen Franken). Die CS steht aber nicht allein im Regen. Vor allem auf dem Finanzplatz Genf fand der Abacha-Clan hilfreiche Bankiers, wie FACTS-Recherchen zeigen: Auf Konten der Crédit Agricole wurde die zweitgrösste Summe sichergestellt, rund 140 Millionen Dollar (230 Mio. Franken), bei der Union Bancaire Privée sind es über 60 Millionen Dollar und nochmals rund 30 Millionen Dollar bei der Banque Nationale de Paris in Genf. Die Bank Leu in Zürich, eine Tochter der Credit Suisse Group, musste gut 25 Millionen Dollar blockieren lassen. Untersuchungsrichter Zecchin bestätigt diese Zahlen. 

Die Banken müssen sich penible Fragen gefallen lassen. Die «Neue Zürcher Zeitung» etwa will wissen: «Gehört bei gewissen Instituten Fahrlässigkeit zum Geschäft, wenn es darum geht, den Wert der anvertrauten Gelder deutlich zu steigern?» Die Eidgenössische Bankenkommission ermittelt gegen die involvierten Banken. Sie untersucht, ob es die Institute beim Handling der Konten an der nötigen Sorgfalt fehlen liessen. Und verlangt bereits härtere Strafen für Banken, die Fluchtgelder annehmen. Keine Stellung zum Fall will Rechtsanwalt Enrico Monfrini nehmen, der die Interessen Nigerias in der Schweiz vertritt.

Mit Sanktionen muss auch die Credit Suisse rechnen. Zu gutgläubig verfuhr die Grossbank mit Mohammed Sani. Auch wenn Sani der CS verheimlichte, dass er ein Sohn des Diktators ist, hätten die Banker hellhörig werden müssen. So stand das Abacha-Regime im September 1995 weltweit am Pranger, weil es die Menschenrechte systematisch verletzte. Kurz nach der Eröffnung des Kontos «Seuze» wurden der Schriftsteller Ken Saro-Wiwa und acht weitere Bürgerrechtler trotz internationaler Proteste gehängt. Der Commonwealth suspendierte im November die Mitgliedschaft Nigerias, die EU verhängte Sanktionen, der Bundesrat rief den Botschafter in die Schweiz zurück und die USA drohten alle nigerianischen Konti einzufrieren. 

Bei der Credit Suisse jedoch wurde niemand misstrauisch, als Mohammed Sani aus Nigeria ein Konto eröffnete und laut internen CS-Dokumenten sogar durchblicken liess, dass er sich «vor Embargo-Massnahmen gegen sein Land fürchte». Auch nicht, als der junge Mann innerhalb kurzer Zeit Million um Million in Zürich deponierte: Am 26. Januar 1996 gingen die ersten 15 Millionen Mark aufs Konto «Seuze» ein, im April sind es 23 Millionen Dollar, im Mai nochmals 45 Millionen Dollar. Nach knapp einem Jahr lagen 100 Millionen Dollar auf dem Konto. Es war das Jahr 1996, in dem die angesehene Anti-Korruptions-Organisation Transparency International Nigeria als «das korrupteste Land der Welt» einstufte. 

CS-Kundenberater B. wurde auch nicht misstrauisch, als er im April 1996 erfuhr, dass Ibrahim Sani, der mit seinem Bruder Mohammed in Zürich gewesen war, im Januar bei einem Flugzeugcrash in Nigeria starb. 

In der Tat: Am 17. Januar 1996 verunglückte der älteste Sohn von Diktator Sani Abacha - sein Vorname ist Ibrahim - bei einem Unfall tödlich. Das weiss man auch in der Schweiz. Der Zürcher «Tages-Anzeiger» etwa schrieb dazu in einem längeren Artikel über Nigeria: «Ibrahim Abacha war Mitte Januar ? bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Ibrahim Abacha war Geschäftsmann und verwaltete zudem das Riesenvermögen seines Vaters.» Zweimal Ibrahim. Zweimal Nigeria. Zweimal Tod durch Flugzeugabsturz. Zweimal Geschäftsmann. Zweimal sehr reich. 

Kein Gesetz der Welt schreibt vor, dass Banker Zeitung lesen müssen. Dennoch: Ab welchem Zeitpunkt hätte die Credit Suisse wissen können, dass Mohammed Sani der Diktatorssohn Mohammed Sani Abacha ist? Ab wann hätte sie «einen begründeten Verdacht» haben können, dass die Dollarmillionen auf dem Konto 638-931-6 «aus einem Verbrechen herrühren oder der Verfügungsmacht einer kriminellen Organisation unterliegen»? Die Antwort auf die Frage ist strafrechtlich relevant: Das Geldwäschereigesetz (GwG), dessen Artikel 9 hier zitiert ist, schreibt bei einem begründeten Verdacht vor, dass solche Gelder von der Bank «unverzüglich» der Meldestelle für Geldwäscherei gemeldet und gesperrt werden müssen. Das GwG ist seit dem 1. April 1998 in Kraft.

Die Credit Suisse stellt sich heute auf den Standpunkt, sie sei über die wahren Familienverhältnisse von Mohammed Sani irregeführt worden. Erst im Frühjahr 1999 habe sie festgestellt, dass es sich bei ihm um den Sohn von Diktator Abacha handeln könnte. Und: «Alle gesetzlichen Bestimmungen, die bei der Eröffnung des Kontos galten, wurden eingehalten.» Und nach der Eröffnung? Hat die CS auch in den Jahren danach sorgfältig genug recherchiert?

Eine Aktennotiz der Credit Suisse vom 29. März 1993 - «nur für bankinternen Gebrauch» - lässt daran zweifeln. In der Französisch gehaltenen Aktennotiz, deren Inhalt Untersuchungsrichter Zecchin bestätigt, wird Brisantes über ein Treffen vom 22. März 1999 am CS-Hauptsitz in Zürich berichtet: Jean-Jacques M., der als «Berater für Afrika» bezeichnet wird, informierte die Credit Suisse, dass er bereits im September 1997 den Klienten «Seuze» in Nigeria getroffen habe. Und Jean-Jacques M. erinnert sich genau, dass dieser ihm «als Sohn des damaligen Staatschefs vorgestellt wurde». Bereits im September 1997 wusste also zumindest einer innerhalb der Credit Suisse Gruppe, dass Mohammed Sani der Sohn des Diktators war. 

Damals, sagt M. heute, habe er für die Credit Suisse First Boston (CSFB) gearbeitet. Das Konto «Seuze» liege aber bei der Credit Suisse Private Banking (CSPB). Die beiden Geschäftseinheiten seien juristisch eigenständig und hätten je eigene Kundenlisten, betont Banken-Sprecher Urs Thaler. Welche Kunden die jeweilige Geschäftseinheit hat, könne die andere darum nicht wissen: M. habe also nicht ahnen können, dass Mohammed Sani über ein Konto bei der CSPB verfügt. 

Wieso aber wurde Jean-Jacques M. von der CSPB nicht schon viel früher auf Mohammed Sani angesprochen? Er gilt innerhalb der Credit Suisse Group als einer der besten Experten für Afrika. Lange Jahre war M. Direktor der damaligen SKA für die afrikanischen Geschäfte der Bank, betreute später für die CSFB Projekte in Afrika und ist jetzt bei der CSPB Berater für den Kontinent. Jean-Jacques M. hätte schon im September 1997 die Credit Suisse über die wahre Identität von «Seuze» aufklären und ihr eine Menge Ärger ersparen können. «Ich weiss auch nicht, wieso ich nicht früher gefragt wurde», sagt M. Der CS fällt eine Stellungnahme dazu von Gesetzes wegen schwer: «Wir haben als Bank keinerlei Möglichkeit, uns zu Einzelheiten in der Öffentlichkeit zu äussern, ohne mit dem Bankgeheimnis in Konflikt zu geraten.» Ein CS-Insider gibt indes zu, dass mit dem «Seuze»-Konto «einiges falsch gelaufen ist und man zu lange keinen Verdacht geschöpft» hat. 

Die CS hat das Konto im Oktober 1999 von sich aus blockiert und den Behörden gemeldet. Viele Konten bei anderen Banken wurden dagegen erst auf Anordnung von Untersuchungsrichter Zecchin gesperrt. «Ohne Geldwäscherei-Gesetz wäre das viel schwieriger gewesen», sagt Zecchin. Tatsächlich wurde auf keinem anderen internationalen Finanzplatz so schnell reagiert wie in der Schweiz. Die Ermittler hier und in Nigeria müssen jetzt nachweisen, dass die blockierten Millionen aus illegalen Geschäften stammen, dann erst kann Geld nach Nigeria zurückfliessen.

Ihre Aufgabe mutet herkulisch an, denn die Gier der Abachas war unersättlich. Die neue Regierung Nigerias geht davon aus, dass der Clan sich mit mindestens 4,3 Milliarden Dollar (über 7 Milliarden Franken) bereichert hat. 2,3 Milliarden Dollar sollen direkt aus der Staatskasse der Nationalbank gestohlen worden sein, eine Milliarde aus illegalen Geschäften kommen, die über Tarnfirmen ausser Landes geschafft wurde, und eine weitere Milliarde Dollar soll aus Bestechungsgeldern von ausländischen Firmen stammen, die sich damit lukrative Aufträge sicherten.

Das Rechtshilfe-Ersuchen Nigerias an die Schweiz schildert en detail, wie die Abachas dabei vorgingen: So bedienten sie sich in der Zentralbank unverfroren mit Bargeld. Ein Helfershelfer gab in Nigeria zu, dass er wiederholt 12 bis 15 Geldsäcke randvoll mit Devisen aus der Zentralbank direkt an General Sani Abacha abliefern musste. Das beweisen auch Verhöre mit Diktatorssohn Mohammed Sani, der heute in der nigerianischen Hauptstadt Abuja hinter Gittern sitzt. Auszug aus den Verhörprotokollen von Anfang April, in die Facts Einsicht nehmen konnte:

Richter: Ihr Vater gab ihnen also Bargeld im Wert von 700 Millionen Dollar?

Mohammed Sani Abacha: Das stimmt.

Richter: Es waren Scheine in amerikanischen Dollar und englischen Pfund, die sie an den Geschäftsmann Abubakar Bagudu weitergaben, um sie ins Ausland zu transferieren?

Abacha: Das tat ich.

Richter: Das ganze Geld gab Ihnen ihr Vater in cash?

Abacha: Das ist korrekt.

Ein grosser Teil dieses Bargelds, wird im Rechtshilfeersuchen vermutet, ist auf Schweizer Bankkonten deponiert. Gegen Bagudu, der in den Verhörprotokollen als Komplize der Abachas genannt wird, läuft in der Schweiz ein Strafverfahren. 

Auch über fiktive Verträge sind die Abachas zu Geld gekommen. So unterschrieb der Diktator etwa einen Vertrag für den Kauf von Militärgerät. Bloss: Einen Verkäufer gab es gar nicht. Das Geld aus der Staatskasse, 11,3 Millionen Dollar, landete laut Rechtshilfeersuchen vom Sicherheitsberater Abachas auf dem Konto einer englischen Gesellschaft bei der Banque Nationale de Paris (BNP) in Genf. Während Jahren verschob der Abacha-Clan auf diese Weise über Tarnfirmen Millionenbeträge auf Konten bei der BNP und der Union Bancaire Privée (UBP) in Genf. Einmal waren es 25 Millionen Dollar für angebliches Lobbying, dann 18 Millionen Dollar für Rüstungsgüter, die nicht existierten, oder auch Profite aus dem Kauf von Impfstoffen, für die Nigeria offiziell 111 Millionen Dollar zahlte, die aber bloss 48 Millionen wert waren.

Nicht zuletzt profitierten die Abachas offenbar von Bestechungsgeldern westlicher Firmen, die so im erdöl- und aluminiumreichen Nigeria an lukrative Aufträge kamen. In Luxemburg wurden vor kurzem 600 Millionen Dollar auf Konten der deutschen Bank M. M. Warburg blockiert. 300 Millionen Mark davon hatte der Anlagenbauer Ferrostaal, eine Tochter des deutschen Industriekonzerns MAN, auf ein Konto von Mohammed Sani Abacha überwiesen. Die Bank bezeichnete dieses Geld, das auch über die Warburg in der Schweiz geschleust worden war, unverblümt als «Provisionen». 

Dass auch viele andere Banken in der Schweiz, in Luxemburg und wohl auch in England und den USA in die Abacha-Affäre verwickelt sind, dürfte für die Credit Suisse ein kleiner Trost sein. Sie hätte wissen können, dass es sich bei Mohammed Sani alias «Seuze» um den Sohn des raffgierigen Diktators Abacha handelte. Ob die CS-Banker das sogar hätten wissen müssen, wird der Richter entscheiden.

14.01.2014 18:35

 

 

 

 

 

 

 

Der neue Chef von «10 vor 10», Martin Hofer, will mehr politische Geschichten bringen.

–: Herr Hofer, seit dieser Woche leiten Sie «10 vor 10» – eine Erfolgssendung, die von Privatstationen kaum attackiert wird. Sind Sie ein Glückspilz?

Martin Hofer: Die neuen Stationen wissen, warum sie nicht gegen uns antreten. Es wäre schwierig, neben «10 vor 10» etwas aufzubauen. Ein Glückspilz bin ich, weil ich die Sendung leiten darf.

–: Kein Wunder, Sie erben solide 40 Prozent Marktanteil.

Hofer: Quoten sind keine plötzliche Erbschaft – Quoten müssen täglich erarbeitet werden. Unsere direkte Konkurrenz hat zugenommen, in Form von mehr Sportübertragungen auf SF 2 und attraktiven Filmen auf deutschen Sendern.

–: Die neuen Schweizer Angebote sind Ihnen hingegen egal?

Hofer: Ist Ihnen aufgefallen, dass bei uns etwas geändert hat, seit die senden?

–: Nicht wirklich.

Hofer: Konnte es auch nicht. Erst kam Tele 24, dann kamen die anderen Projekte – wir haben kaum reagiert. Journalistisch herausgefordert fühlen wir uns sowieso von –, «Blick», «Tages-Anzeiger» oder «Cash».

–: Wer also «10 vor 10» in einem Jahr schaut, sieht ungefähr dasselbe Programm wie heute. Richtig?

Hofer: Ich bin seit Jahren dabei, würde mich also selber verraten, wenn ich alles auf den Kopf stellen würde. Feinkorrekturen solls aber geben. In einem Jahr sieht man wohl noch mehr Politik-, Wirtschafts- und Auslandbeiträge. Bei diesen Themen wollen wir verlässlicher werden.

–: Verlässlicher? Infotainment heisst doch, sich zum Fenster auf den Boulevard hinauszulehnen.

Hofer: Ich mag das Wort Infotainment nicht. Wir sind ein Informationsmagazin. Das wollen wir keck machen, mit gut erzählten und vor allem relevanten Geschichten.

–: Nun ist «10 vor 10» fast jedes Jahr die Sendung, die der DRS-Ombudsmann am häufigsten rügen muss …

Hofer: … weil wir bei der Recherche am meisten riskieren. Da passieren auch Fehler. Oft werden wir übrigens nicht gerügt.

–: Heisst mehr Verlässlichkeit, dass Sie weniger gerüffelt werden wollen?

Hofer: Keinesfalls. Wir haben nicht vor, schön brav nach Proporz allen Gruppierungen zu gefallen. Im Gegenteil, alle sollen angegriffen werden. Verlässlichkeit bedeutet: Kontinuität im Themenangebot. Vor allem wollen wir mehr gute politische Geschichten aufstöbern.

–: «10 vor 10» soll also wieder oft von sich reden machen. So wie früher.

Hofer: Man soll von uns reden, ja. Doch unsere Vergangenheit wird zum Teil verherrlicht. Wir haben heute gleich viele Primeurs wie früher, falls die so wichtig sein sollten. Nur zitieren uns die andern Medien nicht mehr so häufig.

–: Die Frisur von Eva Wannenmacher überstrahlt halt den Rest.

Hofer: Chabis! Unsere Recherchen werden einfach weniger aufgenommen. Aber «10 vor 10» legt sich ständig an, mit Basler oder Berner Behörden, mit Ruth Dreifuss oder Rainer E. Gut …

–: Sagen wirs so: Die Moderatoren tragen die Sendung mindestens so stark wie die Inhalte.

Hofer: Das mögen andere beurteilen. Ich sage nur: Unsere Moderatoren sind Superklasse, alle drei.

–: Einst sorgte «10 vor 10» auch immer wieder für künstliche Aufregung, zeigte Hinrichtungen in Afghanistan …

Hofer: Halt! Das war nicht das alte «10 vor 10», es war das heutige. Wir zeigen, was wir für wichtig halten, wir zeigen die Realität. Und die ist nicht immer schön.

–: Die Provokation gehört dazu?

Hofer: Natürlich – kluge Provokation. «10 vor 10» soll überraschend, angriffig, frech, investigativ sein. Nach wie vor.

–: Liegt es denn nur an der Gnade des Gedächtnisses, wenn man den Eindruck hat, «10 vor 10» habe die Agenda der Schweiz früher stärker bestimmt?

Hofer: Ja. Ich bin seit Jahren dabei, würde also gegen mich selber reden, wenn ich unsere Vergangenheit schlecht machen würde. «10 vor 10» ist relevanter geworden, filmisch besser und – das muss ich zugeben – auch ein wenig berechenbarer.

–: Aber immer noch ist «10 vor 10» eine Wundertüte, es gibt von allem etwas: Boulevard, Politik, Schicksale …

Hofer: So haben wir «10 vor 10» am Anfang auch verstanden. Als Wundertüte. Zum Teil gilt das immer noch. Aber wenn auf der Welt etwas Wichtiges passiert, muss es bei uns stattfinden. Es gibt Pflichtstoffe in «10 vor 10».

–: Jetzt klingen Sie wie Ihre Kollegen von der «Tagesschau».

Hofer: Fünfzig Prozent unserer Zuschauer haben die «Tagesschau» nicht gesehen. Früher war es vielleicht so, dass wir gegen die «Tagesschau» kämpften, und wer von Pflichtstoff sprach, wurde geteert und gefedert. Aber nächstes Jahr wird «10 vor 10» zehn Jahre alt. Man kann nicht ein Leben lang pubertieren, ab einem bestimmten Punkt wirds lächerlich. «10 vor 10» ist erwachsen geworden.

–: Es gibt aber einen latenten Pubertätsdruck – den Trend zu Boulevard-Magazinen à la «Explosiv».

Hofer: Das geht uns nichts an. Wir haben null Grund, in die Richtung zu steuern.

–:Solche Formate fixen die Leute an für härtere Infotainment-Drogen.

Hofer: Im Gegenteil, sie verleiden rasch. Die deutschen Sender kommen schon wieder davon ab. Nur Sex and Crime – einfach eine Kriminalgeschichte nach der andern –, so etwas funktioniert auf Dauer nicht. Das sind Hausecken-Geschichten. Wenn sie in Biel passieren, interessieren sie schon in Basel niemanden mehr.

–: In Deutschland wechselt aber das jüngere Publikum – weg von der «Tagesschau», hin zu den knalligeren «News»-Formaten von RTL oder Sat 1.

Hofer: Die holen ihre Zuschauer, weil sie seriöser geworden sind. Und es ist ja nicht so, dass jeder unter fünfzig bloss Knalljournalismus will. Sich nur auf die 15- bis 49-Jährigen zu stürzen, wie das die Privaten tun – das ist sowieso passé.

–: Als Chef eines DRS-Programms können Sie da cool abwarten: Sie müssen alle Generationen bedienen.

Hofer: Stimmt, bei «10 vor 10» ist jeder willkommen.

10.01.2014 13:01

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