Billig unterwegs

17.02.2014 18:58

Die Preise fürs mobile Telefonieren fallen weiter. Trotz der horrenden Summen für neue Mobilfunk-Lizenzen profitieren die Kunden.

Sunrise-Chef Urs Fischer kann diese Woche endlich präsentieren, was ihm lange verwehrt blieb: Ein Angebot in der Mobiltelefonie. Ab 1. Juni bietet Sunrise in Zusammenarbeit mit Orange ein Prepaid-Produkt im Handy-Markt an. Mit Sunrise Mobile können Kunden ohne Abonnementsgebühr für einen bestimmten Betrag pro Monat mobiltelefonieren. Sunrise reagiert damit auf ein Angebot der Konkurrentin Tele2, die seit einem Monat mit Tele2 Mobile - zusammen mit Swisscom - ihren Kunden ein ganz ähnliches Produkt verkauft.

Jeder will im boomenden Mobilfunk dabei sein. Um jeden Preis. «Es ist natürlich kein riesiges Geschäft für uns», kommentiert Sunrise-Chef Urs Fischer das Prepaid-Angebot. «Aber es findet auch keine Quersubventionierung statt», versichert er.

Geld verdienen nur die wenigsten Telefongesellschaften im Mobilfunk. Denn trotz Milliarden-Investitionen in die Infrastruktur sinken die Preise.

Jetzt gehts in die nächste Runde: Noch in diesem Sommer werden die Minutenpreise wohl weiter purzeln. In der Branche spricht man von einem Preisnachlass von rund 20 Prozent. Diax, so wird vermutet, übernehme die Vorreiterrolle. Das Unternehmen gibt sich allerdings noch bedeckt. «Eine Preisrunde ist möglich», sagt Monika Walser, Mediensprecherin von Diax. «Das entscheiden wir kurzfristig.» Und Swisscom-Sprecher Sepp Huber erklärt nur: «Entscheide sind noch nicht gefallen. Wir werden das erst kurz vor der Einführung kommunizieren.»

Die Preissenkungen sind diesmal politisch brisant. Vor einer Woche hat die Wettbewerbs-Kommission (Weko) eine Untersuchung wegen möglicher Preisabsprachen unter den drei Mobilfunkanbietern eingeleitet. Bis Ende Juni haben die Mobiltelefonie-Anbieter Swisscom, Orange und Diax Zeit, der Weko die geforderten Unterlagen zu retournieren.

Die Untersuchung der Weko könnte zum Schluss kommen, dass die drei Unternehmen kollektiv marktbeherrschend seien. Ist das der Fall, müssen sie gemäss dem Fernmeldegesetz ihre Infrastruktur gegen eine Gebühr auch Dritten zur Verfügung stellen. Alle Telefongesellschaften könnten ihren Kunden dann Mobilminuten weiterverkaufen - und die Preise sänken weiter. Mehr>> Albatros-navigation.ch

Ein Schritt, gegen den sich Swisscom wehrt: «Wir sind gegen eine Regulierung, weil wir gegen eine Änderung der Spielregeln während des Spiels sind», verteidigt sich Huber. Swisscom habe gezeigt, dass sie den Wettbewerb nicht behindere, etwa durch die teilweise Freigabe ihres Mobilfunk-Netzes für Konkurrentin Orange. Huber erwartet denn auch, «dass die Untersuchung der Wettbewerbs-Kommission eingestellt wird».

Da könnte sich Swisscom täuschen. Die Untersuchung über die Mobilfunk-Preise sind ein Prestigefall für die Weko, die um ihre Berechtigung kämpfen muss. Dass sie ihre Abklärungen ohne Ergebnis einstellt, kann sich die Behörde nicht leisten.

Die Mission der Kommission ist heikel: Zwar sind in der Schweiz die Minutenpreise in der Mobiltelefonie nicht so stark gesunken wie im Festnetz, dafür haben die Telefongesellschaften ihre Kunden mit Gratisangeboten geradezu überhäuft.

Alle drei Anbieter zahlen happige Provisionen an den Handel. Die Kosten für einen neuen Handy-Kunden haben sich in den letzten zwei Jahren verdreifacht und liegen nach Schätzungen derzeit bei rund 250 bis 300 Franken. Swisscom-Sprecher Huber bestätigt: «Ein Neukunde kostet uns heute 280 Franken.» Orange verlangt von der Weko deshalb eine Gesamtbeurteilung der Situation. Die Provisionen sowie die milliardenhohen Investitionen in die Infrastruktur müssten berücksichtigt werden. «Die Kostenstruktur hat sich in den vergangenen Monaten substanziell zum Vorteil der Konsumenten verändert», sagt Orange-Sprecherin Therese Wenger.

Der Preisknatsch um die Tarife ist hausgemacht. Als das Bundesamt für Kommunikation (Bakom) in der Schweiz Mitte 1998 nur drei Mobilfunk-Lizenzen für die GSM-Technologie verteilte, sagten kritische Stimmen die heutige Situation voraus. Erfahrungen in Deutschland zeigten zudem schon damals, dass ein Preiswettbewerb erst ab vier oder fünf Anbietern spielt.

Jetzt reagiert das Bakom. Durch die Abschaltung des alten Natel-C-Netzes wurden zusätzliche Funkfrequenzen frei. Im Oktober werden deshalb drei weitere GSM-Konzessionen versteigert, wie Andreas Sutter, Stabschef beim Bakom, bestätigt. Bald könnten also vier Telefongesellschaften im Mobilfunk mitmischen: Eine Konzession ist auf der Frequenz von 900 Megahertz zu haben, zwei Extended-GSM-Konzessionen arbeiten auf einer Frequenz unterhalb von 900 Megahertz. Für die Extended-Konzession gibts derzeit auf dem Markt noch keine Geräte, weshalb sie weniger attraktiv sind.

Erstaunlich: Auch für die 900-Megahertz-Lizenz hat sich bisher beim Bakom noch kein Interessent gemeldet. Die Frist läuft am 31. Mai ab. Findet sich kein Käufer, entscheidet die Kommunikation-Kommission (ComCom), ob die verfügbaren Frequenzen auf die bisherigen Konzessionsinhaber aufgeteilt werden oder ob eine weitere Auktion erfolgt.

Beim Bakom bleibt man dagegen optimistisch, dass sich bis am Mittwoch noch Käufer finden: «Wir gehen davon aus, dass wir die vierte GSM-Lizenz im Oktober noch für mehrere hundert Millionen Franken versteigern können», erklärt Sutter. Ein gutes Geschäft: Die drei anderen GSM-Konzessionen waren vor zweieinhalb Jahren in einem Schönheitswettbewerb noch «verschenkt» worden.

Richtig los gehts dann im November, wenn vier nationale Konzessionen für die dritte Mobilfunk-Generation mit dem Namen Umts versteigert werden. Die Kosten für eine solche Lizenz schätzt das Bakom auf 1,5 bis 2,5 Milliarden Franken.

Gut im Rennen liegt Ex-Monopolistin Swisscom. «Eine Swisscom ohne Umts-Lizenz in der Schweiz ist nicht vorstellbar», sagt Reto Portmann, Analyst bei der Bank Sarasin. Auch Swisscom-Sprecher Sepp Huber bestätigt, dass Umts für sein Unternehmen «sehr wichtig» ist. Um an die Milliarden zu kommen, prüft Swisscom den Börsengang ihrer Mobiltelefonie-Sparte.

Orange, Diax und Sunrise bieten im Milliarden-Poker ebenfalls mit. Über die Höhe ihre Gebote halten die drei derzeit allerdings noch Stillschweigen.

Anders Tele2-Chef Roman Schwarz. Eine eigene Umts-Lizenz ist für ihn keine Pflicht. «Jene Gesellschaften», begründet er, «die diese horrenden Summen aufbringen, sind gezwungen, alternative Vertriebskanäle zu öffnen.» Die Telefongesellschaften mit eigener Umts-Infrastruktur müssten nur schon aus wirtschaftlichen Gründen einen Teil ihrer Netz-Kapazitäten weiterverkaufen. Das will Schwarz nutzen.

Kostenbewusste Telefongesellschaften kalkulieren derzeit noch eine zweite Variante: Mit einem potenten Partner könnten sich viele die teuren Umts-Konzessionen doch noch leisten. Zwei Namen werden als mögliche Partner besonders häufig genannt: Orange und Sunrise, heisst es in der Branche, würden im Hinblick auf Umts noch näher zusammenrücken.

«Es ist kein Geheimnis, dass im Moment jeder mit jedem spricht. In Bezug auf Orange müssen wir jedoch abwarten, wie sich die Besitzverhältnisse entwickeln», erklärt Sunrise-Sprecher Stephan Howeg. Bei einem Verkauf der Muttergesellschaft Orange PLC an France Télécom hat der deutsche Telekom-Riese Viag ein Vorkaufsrecht auf die Schweizer Orange.

Trotz Umts wird das heutige GSM-Handy-Netz in zwei Jahren nicht einfach abgestellt. Wie früher Natel C und Natel D werden auch GSM und Umts jahrelang parallel auf dem Markt präsent sein. Privatkunden werden auch künftig auf dem GSM-Netz telefonieren, und nur jene, die wirklich auf grosse Netz-Kapazitäten angewiesen sind, wechseln auf das teure Umts. Handy-Hersteller haben aufs kommende Jahr bereits erste Dual-Mode-Geräte für die zwei Netze GSM/Umts angekündigt.

Noch vor einem Jahr schienen zwei Netze in der Schweiz eine unwahrscheinliche Variante zu sein. Jetzt zweifelt niemand mehr daran, dass das heutige GSM-Netz noch während Jahren weiter bestehen wird. Möglich wirds durch Power-Technologien wie HSCSD und GPRS. Sie teilen Daten in kleine Pakete auf und verschicken diese einzeln.

Das macht die Sache schnell. Mit GPRS übermittelt das Handy Daten in der gleichen Geschwindigkeit wie ein ISDN-Anschluss im Fixnetz. Und: Die Investitionen der Telefongesellschaften in die Technologie sind verhältnismässig tief.

In der Branche wird GPRS schon mal despektierlich «das Umts für arme Leute» genannt. Den Kunden kanns egal sein. Sie profitieren fürs gleiche Geld von mehr Leistung. Wie schon so oft.